Tagesarchiv: 27. April 2011

In der Warteschleife – Teil 2

Kunst als Ein-Euro-Job?

Nur, wenn es anders nicht geht.

Drei etwas andere Künstlerportraits.

Martina M. und das Wartebuch

Martina M. kommt freiwillig zur KOM. Sie ist nicht mehr in der Arbeitsgelegenheit, hat jedoch noch keinen neuen Job. Sie schätzt die Projektleiterin Elisabeth Richnow sehr, wegen „der Freiheit in ihrem Kopf“, wie sie sich ausdrückt. Die Maßnahme sei genau das Richtige für sie gewesen. Die Jugendlichen machten sie traurig, weil so viel Potential brachliege und diese Jugendlichen keine Chance hätten, wenn sie schon mit Hartz IV starteten. Elisabeth Richnow hat andere Erfahrungen gemacht. „Der Vermittlungsquote bei Jugendlichen ist gut. Meist müssen zuerst andere Dinge aufgeräumt werden, aber danach vermitteln wir viele “, sagt sie und auch Martina M. hat ein positives Beispiel. „Ronja hat ein besonderes malerisches Talent und sie hat einen Studienplatz am Lerchenfeld bekommen.“ An der Kunstakademie also.

Martina M. an ihrem Malplatz.

Martina M. an ihrem Malplatz.

Bei der Post, als Altenpflegerin, als Küchenhilfe hat Martina M. gearbeitet und Au Pair war sie auch. Das Studium der Sozialpädagogik hat sie abgeschlossen, ein Studium der Illustration nicht. Martina M. hat immer gemalt. Ihre Zeichnungen seien nicht wert geschätzt worden, als sie noch ein Kind war. „Mit Mitte 30 – auf Kur – habe ich es wiederentdeckt.“ Die Illustration ist immer noch ihre Leidenschaft. Martinas Wartebuch enthält Illustrationen und Warteworte: Die Warteschlaufe, die jemand hat, einen Wartesaal. Aus der Warteschlaufe kann auch eine Haarschlaufe oder eine Zungenschlaufe werden. „Es gibt auch lautes Warten, zum Beispiel, wenn jemand Tinnitus hat.“ Ein Mietshaus findet sich auch im Wartebuch. Sie fragt sich „Worauf warten die Leute? Nicht nur auf Arbeit.“

Das Skizzenbuch füllt sich schnell mit der kreativen Hand von Martina M.

Das Skizzenbuch füllt sich schnell mit der kreativen Hand von Martina M.

Es gibt einen Wartegarten im Skizzenbuch. Dazu erläutert sie „es ist schön, Zeit zu haben und seinem Rhythmus zu folgen. Trotz Stress, ist Zeit ein Luxus. Das ist mir ganz viel Wert. Es ist ein Schatz.“ Martina M. befindet sich in einer Wartephase. Sie weiß nicht, ob sie verrentet wird, mit 47 schon, weil der Druck in der Arbeitswelt einfach zu groß ist, für die sensible schmale Frau. Sie selbst möchte malen und mit anderen künstlerische Projekte umsetzen. Seit zwei Jahren ist sie arbeitslos. Arbeitslos sein, das sei ein Zustand, Hartz 4 habe einen üblen Nachgeschmack. Der Druck von Außen sei groß, „dadurch traut man sich weniger zu, das Selbstvertrauen wird weniger und man bekommt Depressionen. Niemand ist ja freiwillig in Hartz IV“, ist sie sich sicher.

Martina M. beim Interview in der KOM.

Martina M. beim Interview in der KOM.

Martina M. wirkt viel jünger als sie ist. Vielleicht weil sie so schmal ist, oder so aufgeweckt wirkt, dass man gar nicht glauben kann, dass sie mit Depressionen zu kämpfen hatte. Sie würde sich gern in die Gesellschaft einbringen. Das Grundeinkommen sei eine gute Idee, findet sie: „Jeder kann sich mit dem einbringen, was er wirklich kann. Man könnte sich ja auch ehrenamtlich einbringen.“ Das jetzige System führe zu hohen Folgekosten bei Krankenkassen, denn die ganzen Kuren und Behandlungen auf Grund des Druckes seien schließlich teuer. Das sei so, „weil der ganzheitliche Ansatz in der Arbeitswelt fehlt“, erläutert sie.

Teil 3 folgt…

© Text Sigrun Friederike Priemer | © Fotos Cornelius Kalk