Kunst als Ein-Euro-Job?
Nur, wenn es anders nicht geht.
Drei etwas andere Künstlerportraits.
Die Treppe zum Atelier der Arbeitsgelegenheit „Walldesign“ ist düster. Die Flure im Untergeschoss sind zum Glück doch gut beleuchtet, hier werden die Lichtschalter offensichtlich benutzt. Wir öffnen die Tür zum „Farbraum“. Tageslicht. Die Fensterfront auf der Rückseite ist einem Billekanal zugewandt. Die Fenster sind groß und halbrund.

Die Malwerkstatt der KOM – gemeinnützige Gesellschaft für berufliche Kompetenzentwicklung gmbH
Die Arbeitsgelegenheit „Walldesign“ wird in Hamburg von der gemeinnützigen Gesellschaft für berufliche Kompetenzentwicklung mbH, kurz KOM angeboten. Elisabeth Richnow ist die Projektleiterin und ihr Anliegen ist es, den Menschen in ihrer Maßnahme den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen: „Durch kreative Projekte vermitteln wir den Teilnehmern Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Reflexion und eigenständiges Denken.“

Der Kopf, die kreative Hand und ein Bild aus dem Projekt ‚Leben mit Hartz IV‘
Der Fotojournalist kennt die Malerin schon. Er stellt uns vor. Barbara Guttmann heißt die schlanke dunkelhaarige Frau mit dem wachen Blick. Es sieht aus, wie in einem Künstleratelier einer Künstlergruppe und alle sind auf ihre Arbeit konzentriert.
Barbara Guttmann und der innere Druck
Barbara Guttmann hat eine kleine Arbeitsecke am Fenster ergattert. Sie steht dort mit dem Rücken zum Fenster und erklärt ihre Bilder. Sie hat viel erlebt, sie malt um den inneren Druck abzubauen. „Ich kann alles, was ich sagen würd’ im Bild rauslassen.“ Norddeutsch klingt sie nicht. Frau Guttmann kommt aus Lörrach. In Hamburg ist alles schief gelaufen für sie und ihren Partner. Der Partner, ihre große Liebe, und Frau Guttmann haben in Lörrach für lokale Zeitungen fotografiert und Geschichten recherchiert. Als die Aufträge ausblieben und private Freundschaften sich zerschlugen, brach das Paar spontan nach Hamburg auf. 2005 war das. In der neuen Heimat war das Ersparte aufgebraucht, bevor das Paar finanziell wieder Fuß gefasst hatte. Im Frühjahr 2010 erließ der Vermieter ihnen die letzten zwei Mieten, bevor sie auf der Straße standen. „Hier übernachten noch zwei Beutelschneider“, kommentierte die Dame in der Bahnhofsmission die Ankunft der beiden, erzählt sie; und: „Ich habe vorher schon über Hartz 4 nachgedacht, aber wir hatten nicht alle Papiere zusammen.“ Es folgten sieben Monate in einer Notunterkunft in Langenhorn.

Bemalt wird alles, was in die quere kommt. Von Leinwand bis hin zum alten Deckel vom Farbeimer.
Warum sie hier an der Eiffestraße in der Maßnahme ist? Die Sachbearbeiterin der ARGE habe sie hier her geschickt. Elisabeth Richnow ist von ihren künstlerischen Fähigkeiten beeindruckt. Deswegen kann Frau Guttmann sich künstlerische Freiheiten nehmen und Gemälde malen. Denn eigentlich geht es um Wandmalerei.
Barbara Guttmann ist 50 und weiß: „Du kannst nur eins, du kannst malen.“ Das Schlimmste an der Situation sei die Missachtung, findet sie. „Die Nichtachtung, die über den Tresen kommt, hat mit der sachlichen Situation nichts zu tun“, stellt sie fest, als sie von ihren Terminen bei der ARGE spricht. Es ist kein klagen, Frau Guttmann jammert nicht, sie konstatiert. Ihre Bilder sind ernst. Auf gewisse Weise humorvoll, dennoch bleibt einem das Lachen im Halse stecken. „Meine Bilder sind nicht für’s Wohnzimmer“, sagt sie. Die Missachtung der Menschen untereinander wird sichtbar auf dem Gemälde, auf dem zwei große Menschen zwei kleine an Ketten spazieren führen. „Und die kleinen Menschen sind untereinander auch nicht solidarisch“, wieder so eine Feststellung. „Elfen und Bäume würde ich nicht auf ein Blatt bekommen. Ich kann mich der Atmosphäre nicht entziehen, ich will es auch nicht“, erläutert sie. Sie hat in München und Basel Kunst studiert, beide Male abgebrochen. Zu starr seien die Vorstellungen der Ausbilder gewesen.

Der kritische Blick der Künstlerin.
Wie findet sie die Maßnahme? „Ich kann hier malen“, sagt sie lapidar. Sie male gegen die gesellschaftliche Atmosphäre. Den Austausch mit den anderen Künstlern, den schätze sie. Sie nennt ein Beispiel: „Die jungen Leute hier haben mir Graffiti erklärt. Ich habe mich damit ja nie beschäftigt. Gar nicht übel.“ Während wir sprechen, schenkt ihr eine junge Kollegin aus der Maßnahme einen Brötchenhasen. Guttmann strahlt über das ganze Gesicht, sie ist richtig gerührt. Das letzte Bild, an dem sie arbeitet zeigt lächelnde Menschen. „Bilderverkauf für jedermann, das wär’s doch“, sagt sie.
Teil 2 folgt…
© Text Sigrun Friederike Priemer | © Fotos Cornelius Kalk